07.01.2025
Das Oberlandesgericht Dresden hat heute entschieden, dass es unzulässig ist, Verbrauchern für Mahnungen systematisch pauschale Mahnkosten in Rechnung zu stellen, ohne eine vertragliche Vereinbarung über eine solche Mahnkostenpauschale getroffen zu haben. Eine Mahnkostenpauschale in der verlangten Höhe von 3,50 € könnte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen aber auch gar nicht vertraglich vereinbart werden, weil dieser Betrag die gewöhnlichen Mahnkosten übersteigt (Urt. v. 07.01.2025, Az. 14 UKl 2/24).
Der Kläger, der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. ist ein gemeinnütziger Verbraucherschutzverein, der in die Liste der qualifizierten Verbraucherverbände gemäß § 4 UKlaG aufgenommen ist. Zu den satzungsmäßigen Aufgaben des Klägers gehört es, Interessen der Verbraucher insbesondere durch die Unterbindung von Verstößen gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltend zu machen. Die Beklagte PVS Sachsen GmbH besorgt als ärztliche Gemeinschaftseinrichtung im Gesundheitswesen die Abrechnung privatärztlicher Leistungen.
Die Beklagte erstellt namens und im Auftrag des medizinischen Leistungserbringers nach der Behandlung eines Privatpatienten die Rechnung und versendet sie an den Privatpatienten mit der Aufforderung zur Zahlung des berechneten Betrages. Zahlt der Privatpatient nicht binnen der ihm gesetzten Zahlungsfrist, mahnt die Beklagte den Privatpatienten namens und im Auftrag des medizinischen Leistungserbringers an. Die Beklagte hat ihre Rechnungssoftware so eingestellt, dass beim Erstellen eines Mahnschreibens der Forderungsbetrag aus der ursprünglichen Rechnung um 3,50 € erhöht und sodann nur noch der erhöhte Betrag mit dem Zusatz „inklusive 3,50 € Mahngebühren“ ausgewiesen wird.
Der Kläger beanstandet, dass der Beklagten ohne Vereinbarung keine Pauschale zustehe, wie sie diese über ihre Rechnungssoftware unter Verstoß gegen das Umgehungsverbot nach § 306a BGB verlange. Es fehle ein Hinweis auf die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Schadens, § 309 Nr. 5b BGB. Zudem sei die Pauschale mit 3,50 € höher als der Durchschnittsschaden, der sich höchstens auf 0,90 € belaufe, § 309 Nr. 5a BGB.
Das Oberlandesgericht Dresden hat gem. § 6 Abs. 1 S. 1 UKlaG in erster Instanz entschieden.
Update 01.03.2025: Die Beklagte PVS Sachsen GmbH hat kein Rechtsmittel einglegt. Das Urteil ist damit rechtskräftig.
Der unter anderem für Klagen nach dem UKlaG zuständige 14. Zivilsenat des OLG Dresden gab der Klage des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. in allen Punkten statt.
Dem Kläger stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus § 1 UKlaG in Verbindung mit §§ 306a, 309 Nr. 5 a, b BGB zu.
1. Das OLG Dresden hat entschieden, dass die Beklagte mit Ihrer Vorgehensweise zunächst die Regelung des § 309 Nr. 5b BGB* umgeht.
a) Der Kläger kann als anspruchsberechtigte Stelle gemäß §§ 3, 4 UKlaG aus § 1 UKlaG auch dann vorgehen, wenn er die Umgehung einer als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksamen Regelung im Sinne des § 306a BGB geltend macht (siehe BGHZ 162, 294). § 306a BGB stellt die Umgehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch anderweitige Gestaltungen der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen materiell gleich. Daraus folgt, dass der dem Wortlaut nach auf die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gemäß §§ 307 bis 309 BGB gerichtete Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG auch die Umgehung gemäß § 306a BGB erfasst. Da es für die betreffenden Kunden hier um geringe Beträge geht, die in der Regel nicht zur gerichtlichen Überprüfung im Einzelfall gestellt werden, ist das abstrakte Kontrollverfahren nach § 1 UKlaG auch ein effektives Kontrollinstrument.
Die Beklagte umgeht mit ihrer Handhabung die untersagte Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen bezüglich eines pauschalierten Schadenersatzes für Mahnschreiben. Da sie durch entsprechende Programmierung ihrer Rechnungssoftware systematisch in Mahnfällen von ihren Kunden Kosten (hier: 3,50 €) verlangt, handelt es sich um eine andere Gestaltung im Sinne von § 306a BGB, die dem gesetzlichen Verbot entgeht. Ausschlaggebend für die Anwendung des § 306a BGB ist eine wirtschaftlich wirkungsgleiche Praxis, die ebenso effizient wie die Pauschalierung von Schadensersatz in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist und deren typischen Rationalisierungseffekt hat. Dies ist hier bei der systematischen Inrechnungstellung der pauschalisierten Mahnkosten von 3,50 € der Fall, da sich der Verbraucher in aller Regel gegen die Inanspruchnahme dieser Beträge nicht wehren wird, auch wenn er feststellt, dass sie vertraglich mangels Einbeziehung in die AGB nicht geschuldet sind. Damit erreicht die Beklagte dasselbe Ergebnis, wie wenn sie diese Beträge in ihren AGB vereinbart hätte.
b) Die Inanspruchnahme der Verbraucher mit pauschalisierten Mahnkosten in Höhe von 3,50 € verstößt gegen § 309 Nr. 5b BGB, da dem Verbraucher dabei unstreitig nicht die Möglichkeit eingeräumt wird, einen geringeren als den geltend gemachten Schaden einzuwenden.
Die Beklagte umgeht aber auch die Regelung des § 309 Nr. 5a BGB.
Nach § 309 Nr. 5a BGB darf die verlangte Pauschale den nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartenden Schaden nicht übersteigen. Hierfür sind branchenunabhängig nur Material- und Portokosten einzurechnen (BGH MDR 2019, 1118). Nicht ersatzfähig sind dagegen Arbeits- und Zeitaufwand für die Abwicklung des (Verzugs-)Schadensersatzanspruchs.
Die Beweislast, dass ihre Pauschale dem typischen Schadensumfang entspricht, trägt die Beklagte (BGH MDR 2019, 1118). Insoweit kommt es nicht darauf an, welche Kosten die Beklagte einbeziehen könnte, wenn sie diese wie hier nicht angeführt hat. Einen durch eine Mahnung verursachten branchentypischen oder individuellen Durchschnittsschaden in Höhe von 3,50 € hat die Beklagte nicht dargetan. Die durch sie von dem Verbraucher verlangten oder in der Branche üblichen Kosten hat sie der Höhe nach nicht begründet. Der Verweis auf das ansteigende Briefporto und das Porto von derzeit 1,00 € für den Kompaktbrief sowie auf Schadenspauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB im Geschäftsverkehr zu einem Schuldner, der gerade nicht Verbraucher ist, führen nicht weiter. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder Inkassobüros mögen zu einem höheren Schaden im konkreten Fall führen, sind aber für die generelle Pauschale unergiebig. Eine Erstattungsfähigkeit dieser Kosten ergibt sich auch nicht ausnahmsweise aus dem zur Durchführung des Mahnverfahrens betriebenen Aufwand (BGH MDR 2019, 1118). Die dort gemachten Ausführungen zu einem Unternehmen der Daseinsvorsorge lassen sich auch auf die Branche übertragen, in der die Beklagte tätig ist. Verzugszinsen hat die Beklagte nicht angeführt und nicht konkret in den Betrag einbezogen, den sie auch nur als „Mahngebühr“, nicht als Verzugsschaden bezeichnet.
Wurden auch Sie von der PVS Sachsen GmbH zur Zahlung einer Mahnkostenpauschale aufgefordert? Haben Sie die Pauschale schon gezahlt und überlegen nun, wie Sie Ihr Geld zurückbekommen können? In unserem Online-Rechtsberatungsforum beraten wir Sie gern. Außerdem halten wir auf unserer Download-Seite ein Musterschreiben bereit, mit dem Sie zu Unrecht gezahlte Pauschalen von der PVS Sachsen GmbH zurückfordern können.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
* § 306a UmgehungsverbotQuelle: Urteilsabdruck
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Letzte Aktualisierung: 01.03.2025