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Deutscher Verbraucherschutzverein e.V.

Pressemitteilung

Potsdam, den 07.12.2023


Das Oberlandesgericht Köln hat das Kölner Telekommunikationsunternehmen NetCologne am 01.12.2023 verurteilt, wegen der Erhebung überhöhter Mahn­kosten- und Rück­last­schrift­pau­scha­len von Verbrauchern Un­rechts­gewinne von mehr als 3,7 Millionen Euro nebst Zinsen an den Bundes­haus­halt abzuführen.

Die NetCologne Gesellschaft für Telekommunikation GmbH hat von Verbrauchern viele Jahre lang überhöhte Mahnkostenpauschalen von 5,00 € und Rücklastschriftpauschalen von 9,00 € erhoben. Die Erhebung dieser Pauschalen ist dem Unternehmen auf Klage des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. schon vor Jahren rechtskräftig untersagt worden. Sodann hat der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. die NetCologne auf Abschöpfung des durch die Erhebung der Pauschalen erzielten Unrechtsgewinns in Anspruch genommen. Nachdem der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. in erster Instanz vor dem Landgericht Köln im Juni dieses Jahres schon einen Teilerfolg errungen hatte, war er in der Berufungsinstanz vor dem Oberlandesgericht Köln nun insgesamt erfolgreich. Das Oberlandesgericht hat die NetCologne durch Urteil vom 01.12.2023, Az. 6 U 73/23, antragsgemäß zur Zahlung von 3.740.579,00 € nebst Zinsen von inzwischen schon mehr als 1.250.000,00 € an den Bundeshaushalt verurteilt.


Zu den Details:

Viele Unternehmen haben Verbrauchern in der Vergangenheit für das Fehlschlagen einer Lastschrift, z.B. wegen fehlender Kontodeckung, hohe Schadensersatzpauschalen berechnet. In der Telekommunikationsbranche waren noch bis vor zehn Jahren Beträge bis ca. 21,00 € pro Rücklastschrift verbreitet. Nach der gesetzlichen Rechtslage darf die Höhe von Schadens­ersatzpauschalen von Unter­nehmen gegenüber Verbrauchern jedoch den im Durch­schnitt der geregelten Fälle entstehenden Schaden nicht übersteigen. Die Unternehmen dürfen danach mit Schadens­ersatz­pauschalen ihren Schaden decken, aber keine versteckten Gewinne erwirtschaften. Die Rechtsprechung erkennt zudem nur bestimmte Kostenpositionen des Unternehmens als ersatzfähigen Rücklastschriftschaden an, so dass der ersatzfähige Rücklastschriftschaden großer Telekommunikationsunternehmen bei nur 3,00 € bis 4,00 € liegt. Vor diesem Hintergrund dienen Rücklastschriftpauschalen über 4,00 € offensichtlich nicht der Schadenskompensation, sondern der vorsätzlich rechtswidrigen Erwirtschaftung verdeckter Zusatz­gewinne.

Ähnlich verhält es sich mit Mahnkostenpauschalen. Einige Telekommunikationsunternehmen verlangten von ihren Kunden pro Mahnung 10,00 € und mehr. Nach der Rechtsprechung des BGH sind im Wesentlichen jedoch nur die Material- und Portokosten für das Mahnschreiben ersatzfähig. Das sind zusammen kaum 1,00 €. Bei elektronischen Mahnungen per E-Mail oder SMS fallen so gut wie keine ersatzfähigen Kosten an.

Die NetCologne verlangte von ihren Kunden noch im Jahr 2015 Rücklastschriftpauschalen von 9,00 € und Mahnkostenpauschalen von 5,00 €. Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. hat das Unternehmen erfolgreich auf Unterlassung der Verwendung der entsprechenden Pauschalierungsklauseln verklagt. Zwar konnten Verbraucher von ihnen gezahlte überhöhte Pauschalen von der NetCologne zurückfordern. Erwartungsgemäß haben die meisten Ver­braucher von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht, da bei Kleinbeträgen wie überhöhten Rück­last­schrift­- und Mahnkostenpauschalen der wirtschaftliche Nutzen der Rückforderung für den einzelnen Verbraucher meist in keinem sinnvollen Verhältnis zu dem Aufwand steht, den er betreiben muss, um den Betrag zurückzuerhalten. Inzwischen sind die meisten Rück­forderungs­ansprüche der geschädigten Verbraucher verjährt.

Da diese Entwicklung abzusehen war, hat sich der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. bereits im Jahr 2016 entschieden, die NetCologne – wie auch einige andere große Telekommunikationsunternehmen – auf Abschöpfung des mit den überhöhten Pauschalen erzielten Unrechtsgewinns an den Bundeshaushalt in Anspruch zu nehmen. Diese Möglichkeit bietet das Gesetz für den Fall, dass ein Unternehmer vorsätzlich gegen Normen des Wettbewerbsrechts verstößt. In derartigen gravierenden Fällen soll der Unternehmer nach dem Willen des Gesetzgebers die zu Unrecht vereinnahmten Gewinne nicht für sich behalten dürfen, auch wenn die betroffenen Verbraucher sie nicht zurückfordern. Qualifizierte Verbraucherschutzverbände können die Abführung der Gewinne an den Bundeshaushalt beanspruchen. Die Anspruchs­durchsetzung erfolgt in der Regel in einem zweistufigen Gerichtsverfahren, in dem der Verbraucher­schutzverband von dem Unternehmer erst Auskunft über die erzielten Gewinne und sodann Zahlung der Gewinne an den Bundeshaushalt verlangt. Das Verfahren kann sich daher über viele Jahre hinziehen und ganz erhebliche Kosten verursachen.

Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. hatte gegen die NetColgne im Jahr 2016 eine Stufenklage erhoben. Aufgrund des hohen Kostenrisikos hatte der Verein mit Zustimmung des Bundesamts für Justiz einen gewerblichen Prozessfinanzierer eingeschaltet. Die NetCologne wurde rechtskräftig zur Erteilung der Auskunft über die erzielten Unrechtsgewinne verurteilt. Daraufhin teilte die NetCologne dem Verein mit, durch die Pauschalen Einnahmen i.H.v. 3.740.579,00 € erzielt zu haben. Die Klage scheiterte auf der Zahlungsstufe jedoch daran, dass der Bundesgerichtshof in einem anderen Verfahren überraschend entschieden hatte, dass die Einschaltung eines gewerblichen Prozessfinanzierers generell zur Unzulässigkeit einer Gewinn­abschöpfungs­klage führe.

Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. hat sich vom Fehlschlagen der ersten Klage jedoch nicht entmutigen lassen und im Jahr 2020 erneut – nun ohne Prozessfinanzierer – vor dem Landgericht Köln Zahlungsklage erhoben. Das Landgericht Köln hat die NetCologne durch Urteil vom 13.04.2023, Az. 33 O 40/22, jedoch nur zur Zahlung von 2.432.394,00 € nebst Zinsen verurteilt, weil es dem Unternehmen den gewinnschmälernden Abzug angeblich auf den Unrechtsgewinn gezahlter Steuern zugebilligt hat. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Berufung des Deutschen Verbraucherschutzvereins e.V. war erfolgreich. Das Oberlandesgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die NetCologne durch Urteil vom 01.12.2023, Az. 6 U 73/23, antragsgemäß zur Zahlung von 3.740,579,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 08.03.2017 (inzwischen mehr als 1.250.000,00 €) an den Bundeshaushalt verurteilt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die NetCologne kann noch versuchen, mit einer Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH die Zulassung der Revision zu erreichen.

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