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12.12.2014
Rücklastschriftpauschalenerhebung der Mobilcom-Debitel GmbH i.H.v. 7,45 € ist unzulässig

Das Landgericht Kiel (LG Kiel) hat der Mobilcom-Debitel GmbH durch Urteil vom heutigen Tage untersagt, ihren Kunden pauschale Rücklastschriftkosten i.H.v. 7,45 € in Rechnung zu stellen (Urt. v. 12.12.2014, Az. 17 O 164/14).

Zum Sachverhalt:

Die Beklagte Mobilcom-Debitel GmbH hatte in ihren Preislisten bis zum Jahre 2013 Klauseln verwendet, nach denen der Kunde im Falle einer von ihm verschuldeten Rücklastschrift einen Pauschalbetrag von 20,95 €, 14,95 € und zuletzt von 10,00 € an die Beklagte zahlen sollte. Das Oberlandesgericht Schleswig hatte der Beklagten die Verwendung der entsprechenden Klauseln durch Urteil vom 26.03.2013, Az. 2 U 7/12 verboten, weil die Pauschale auch in Höhe von 10,00 € noch den gewöhnlichen Rücklastschriftschaden überstieg, die Klausel daher gem. § 309 Nr. 5a BGB* unwirksam war.

Daraufhin entfernte die Beklagte alle Hinweise auf eine im Rücklastschriftfall vom Kunden zu erhebende Pauschale aus ihren AGBs und Preislisten. Gleichwohl stellte die Beklagte seit dem Jahr 2013 ihren Kunden systematisch Kosten für Rücklastschriften in Höhe von pauschal 7,45 € in Rechnung. Die Rechnungssoftware der Beklagten weist diesen Betrag unter "Sonstige Beträge" als Buchungsposten "Rücklastschrift, vom Kunden zu vertreten" in den Rechnungen aus.

Der Kläger, der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V., forderte die Beklagte mit Schreiben vom 21.05.2014 auf, es zu unterlassen, ihren Kunden systematisch Rücklastschriftpauschalen in Rechnung zu stellen, ohne mit den betreffenden Kunden eine vertragliche Vereinbarung über eine pauschale Schadensabgeltung getroffen zu haben. Die Beklagte reagierte hierauf nicht. Daraufhin erhob der Kläger Klage zum LG Kiel.

Verfahrensgang:

Das erstinstanzlich zuständige LG Kiel entschied durch Urteil vom 12.12.2014. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; es kann binnen Monatsfrist von der Beklagten mit der Berufung zum OLG Schleswig angegriffen werden.

Update, Januar 2015: Mobilcom-Debitel hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Die Entscheidung des LG Kiel:

Das LG Kiel entschied, dass die vom Kläger angegriffene Rücklastschriftpauschalenpraktik der Beklagten gem. 309 Nr. 5a und 5b BGB i.V.m. § 306a BGB** unzulässig ist. Zwar verwendet die Beklagte keine Rücklastschriftpauschalenklausel mehr in ihren AGB und Preislisten. Die systematische Inrechnungstellung der Pauschalen stellt jedoch eine Umgehung des AGB-Rechts dar, die nach § 306a BGB unzulässig ist.

Gemäß § 1 UKlaG kann derjenige, der in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen verwendet, die nach §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sind, auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Dieser Anspruch besteht auch, wenn ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306a BGB vorliegt und eine entsprechende Regelung durch eine Klausel in den AGB unwirksam wäre. Eine Umgehung im Sinne des § 306a BGB liegt vor, wenn eine vom Gesetz verbotene Regelung bei gleicher Interessenlage durch eine andere Gestaltung erreicht werden soll, die objektiv nur den Sinn haben kann, dem gesetzlichen Verbot zu entgehen. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine solche Umgehung u.a. dann vor, wenn eine praktische Gestaltung gewählt wird, die wirtschaftlich zum selben Ergebnis wie eine Pauschalierung des Schadensersatzanspruches im Sinne des § 309 Nr. 5 BGB führt.

Eine solche Umgehungssituation ist nach Auffassung des LG Kiel auch hier gegeben. Denn die Beklagte hat – nachdem ihr die Verwendung der Rücklastschriftpauschalenklausel in Höhe von 10,00 € oder höher durch Urteil des OLG Schleswig vom 26.03.2013 untersagt worden war – sämtliche Hinweise auf eine im Rücklastschriftfall vom Kunden zu erhebende Pauschale aus ihren AGBs und Preislisten entfernt. Gleichwohl hat sie von ihren Kunden weiterhin – nunmehr ohne vertragliche Vereinbarung – pauschal Rücklastschriftkosten in Höhe von 7,45 € verlangt. Dass diese Vorgehensweise systematisch durch entsprechende Einstellung der Programmierung der Rechnungssoftware erfolgte, hat die Beklagte nicht bestritten. Mit dieser Praxis stellt die Beklagte sicher, dass allen Kunden auch ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung Pauschalen in Rechnung gestellt werden, die zuvor – wenn auch in anderer Höhe – aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen berechnet wurden. Insofern ist das Vorgehen der Beklagten ohne weiteres mit dem vom BGH entschiedenen Fall einer internen Anweisung vergleichbar und dient ersichtlich dem Zweck, Ersatz für eine entsprechende AGB-Klausel zu schaffen und eine AGB-rechtliche Prüfung durch die Gerichte zu verhindern. Allein der Umstand, dass diese Vorgehensweise zwar praktiziert wird, jedoch nicht vertraglich geregelt ist, führt nicht etwa zu einer Unanwendbarkeit von § 306a BGB, sondern stellt wiederum den Versuch einer Umgehung – nunmehr dieser Vorschrift – dar.

Der danach vorliegende Verstoß gegen § 306a BGB eröffnet die Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis 309 BGB. Die von der Beklagten gewählte Praxis ist wirkungsgleich mit einer Regelung in AGB und verstieße bei tatsächlicher Festschreibung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen § 309 Nr. 5a und 5b BGB, so dass ein Anspruch auf Unterlassung besteht.

Die Erhebung einer Rücklastschriftpauschale von 7,45 € verstößt zunächst gegen § 309 Nr. 5a BGB. Nach dieser Vorschrift ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz unwirksam, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt. Nach h.M. muss dabei der Verwender nachweisen, dass die verlangte Pauschale dem typischen Schadensumfang entspricht. Vorliegend ist die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte dem klägerischen Vorbringen, dass die Pauschale höher sei als der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartende Schaden der Beklagten, nicht entgegengetreten.

Die angegriffene Pauschalierungspraktik verstößt zudem gegen § 309 Nr. 5b BGB. Nach dieser Vorschrift ist in AGB die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz unwirksam, wenn dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, dass ein Schaden überhaupt nicht oder wesentlich niedriger entstanden sei als die Pauschale. So liegt es hier. Durch die in keiner Weise vertraglich geregelte Praxis der Beklagten, den Kunden stets eine Rücklastschriftgebühr von 7,45 € in Rechnung zu stellen, nimmt sie diesen die Möglichkeit, einen geringeren Schaden nachzuweisen. Tatsächlich hat die Beklagte den in ihren "Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Mobilfunkdienstleistungen" zu Beginn des Jahres 2013 noch enthaltenen Hinweis darauf, dass es dem Kunden vorbehalten bliebe, geringere Kosten nachzuweisen, im Rahmen der Modifikation ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum 15.04.2013 entfernt. Dass sie den Kunden gleichwohl die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Schadens einräumt, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Rat und Tat für Sie

In den zurückliegenden Jahren haben die Gerichte nahezu alle Rücklastschriftpauschalen von Großunternehmen, die höher waren als 4 €, wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 5a BGB für unwirksam erklärt. Einige Unternehmen haben in der Folge versucht, dass AGB-Recht dadurch zu umgehen, dass sie die entsprechenden Pauschalen aus ihren AGB und Preislisten gestrichen, ihren Kunden die Pauschalen aber weiterhin in Rechnung gestellt haben. Der Deutsche Verbraucherschutzverein e.V. ist gegen diese Umgehungspraktiken vorgegangen. Vor dem LG Düsseldorf und dem OLG Düsseldorf hat er bereits erste Erfolge gegen die Vodafone D2 GmbH errungen. Vorliegend hat sich auch das LG Kiel dieser Rechtsprechung angeschlossen.

Sowohl die Entscheidungen aus Düsseldorf als auch das vorliegende Urteil aus Kiel zeigen mit erfreulicher Deutlichkeit, dass das geltende AGB-Recht nicht erfolgreich umgangen werden kann. Die Erhebung nach § 309 Nr. 5a BGB überhöhter Schadensersatzpauschalen wird nicht dadurch rechtmäßig, dass der Unternehmer auf eine entsprechende AGB-Klausel verzichtet und sich auf die faktische Inkassierung der Pauschalen beschränkt.

Wenn auch Ihnen von der Mobilcom-Debitel GmbH überhöhte Rücklastschriftpauschalen in Rechnung gestellt wurden, können Sie diese zurückfordern. Wir haben dazu ein Muster-Rückforderungsformular vorbereitet, das Sie auf unserer Download-Seite abrufen können.

Für unser weiteres Vorgehen gegen Mobilcom sammeln wir weitere Beweise. Sollten auch Ihnen Rechnungen der Mobilcom-Debitel GmbH vorliegen, welche "Rücklastschriftgebühren" enthalten, können Sie unsere Arbeit dadurch unterstützen, dass Sie uns die entsprechenden Rechnungen per E-Mail an info@deutscher-verbraucherschutzverein.de senden. Für die Übersendung entsprechender Rechnungen ab Januar 2015 zahlen wir Ihnen eine Aufwandsentschädigung i.H.v. 10,00 € pro Rechnung.



Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

** § 306a Umgehungsverbot
Die Vorschriften dieses Abschnitts finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden.

* § 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam

5. (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen)
die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn
a) die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder
b) dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale;


Quelle: Urteilsabdruck

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